Kostenanstieg durch Fernwärme

Zusammenfassung:

Eine Modellrechnung des Bauverein und der ENTEGA für ein beispielhaft ausgewähltes Haus am Spessartring ergab:

  • Heizbedarf sinkt durch Modernisierungen um ca. 11,5%
  • Preis für Fernwärme liegt 30% über dem Preis für Gas
  • Insgesamt ergibt sich eine Heizkostensteigerung von 15%
  • Dennoch bleibt die Abschlagszahlung zunächst gleich – nur ein Irrtum?!

 

Die Heizungen im August-Buxbaum-Ensemble werden im Zuge der Sanierungen und Modernisierungen auf Fernwärme umgestellt. Diese Umstellung ist im Spessartring und in Teilen des Rhönrings bereits erfolgt.

Die Fernwärme ist politisch gewollt, da sie im Wesentlichen aus dem Müllheizkraftwerk gespeist wird. Somit wird deutlich weniger CO2 aus fossilen Brennstoffen in die Atmosphäre freigesetzt – die Menge an CO2 bleibt zwar in etwa gleich, jedoch gilt Müll eben nicht als fossiler Brennstoff.

Fernwärme und Gas haben nicht nur abweichende Preise, sondern auch eine abweichende Preisstruktur, also die Zusammensetzung aus Fixkosten, Anschlusskosten und Verbrauchskosten. Hierdurch ergibt sich, dass Verbraucher mit geringem Heizbedarf (moderne, gedämmte Häuser) möglicherweise ähnliche Heizkosten haben werden – für Eigenheimbesitzer ist hier insbesondere der Umstand ausschlaggebend, dass kein eigener Heizkessel gekauft und instandgehalten werden muss.

Für die Bewohner an Spessart- und Rhönring ergeben sich durch die Umstellung allerdings erhebliche Kostennachteile, und zwar im Wesentlichen aus den folgenden beiden Gründen:

  • Durch die schlechte Dämmung der Häuser, auch nach der Modernisierung, ist der Heizbedarf verhältnismäßig hoch – die Kosten für Fernwärme steigen in diesem Fall überproportional stark an, verglichen mit den Bestandsgasheizungen.
  • Dass keine eigene Heizungsanlage vorgehalten werden muss, stellt für die Mieterschaft keinen Vorteil dar – allenfalls entsteht ein Kostenvorteil für den Vermieter, also hier die bauverein AG (BV).

Die Kostenstruktur ist nicht ganz einfach zu durchschauen. Im Frühjahr 2018 hat die Mieterinitiative daher den BV gebeten, eine Rechnung vorzulegen, die darlegt, wieviel höher die Kosten für Fernwärme sein werden ggü. den (damals noch) bestehenden Gasheizungen. Als Berechnungsgrundlage wurde das Jahr 2016 und die Abrechnungsstelle Spessartring 4+6 mit 20 Wohnungen ausgewählt, stellvertretend für das gesamte August-Buxbaum-Ensemble, das ja aus sehr ähnlichen Häusern besteht. Parallel hat die Mieterinitiative sämtliche Preisinformationen direkt von der ENTEGA eingeholt, um diese Rechnung unabhängig selbst anstellen zu können.

Der BV hat zusammen mit der ENTEGA diese Beispielrechnung tatsächlich angestellt – die Berechnung wurde dabei jedoch nicht vorgelegt, sondern nur das Endergbnis verkündet. Zudem haben sich sowohl die Vertreter des BV, also auch die anwesenden Vertreter der ENTEGA auch auf wiederholte Nachfrage geweigert, diesen Kostenanstieg separat von den Dämm-Maßnahmen auszuweisen – und das obwohl die Umstellung auf Fernwärme gar keine Modernisierung darstellt und die beiden Maßnahmen für eine Beurteilung selbstverständlich separat betrachtet werden müssen.

Eine Anmerkung hierzu: Dass sich die ENTEGA hier durch den BV offenbar einen Maulkorb anlegen ließ, auf keinen Fall den Preisanstieg den anwesenden Mieterinnen und Mietern mitzuteilen, der sich allein durch die Umstellung auf Fernwärme ergäbe, kann wohl als skandalös bezeichnet werden. Immerhin sind die MieterInnen Zwangskunden bei der ENTEGA (weder bei Gas noch bei Fernwärme haben die MieterInnen eine Versorgerwahl), da wäre eine transparente Darstellung des Preisanstiegs wohl angebracht gewesen.

 

Das von BV und ENTEGA mitgeteilte Ergebnis der Modellrechnung war:

  • Vor Modernisierung, mit Bestandsgasheizung: 148 MWh pro Jahr, zu 0,92 € pro Quadratmeter und Monat
  • Nach Modernisierung, mit Fernwärme: 131 MWh pro Jahr, zu 1,06 € pro Quadratmeter und Monat

 

Hieraus kann man direkt ausrechnen, wie groß trotz Dämmung (!) der Preisanstieg für das Gesamtpaket (Dämmung und Umstellung auf Fernwärme) ausfällt: 1,06 / 0,92 = 1,15. Die Heizkosten für die MieterInnen steigen also trotz der Dämm-Maßnahmen um 15%, anstatt zu sinken! Die Aussage des BV-Vorstands Anfang März 2018 in Richtung der Mieterschaft hierzu war übrigens, dass es ja nur 15% Mehrkosten seien (Anm.: die sich die MieterInnen über die Modernisierungsumlage für teilweise 120 Euro pro Monat teuer erkaufen müssen!)  – Wörtliches Zitat des BV-Vorstands vom 7.3.2018:

Da muss man die Kirche auch mal im Dorf lassen.

Wir lassen diese Aussage hier unkommentiert so stehen.

[Anmerkung: Nachdem die Häuser im Spessartring nun schon im zweiten Winter nach der Modernisierung heizen, werden bei einigen Mietern Zweifel laut, ob die vom BV errechnete Ersparnis beim Heizenergiebedarf tatsächlich so hoch ausfällt, obwohl die Außenwände ja nicht bzw. kaum gedämmt wurden. Sofern diese Bedenken zuträfen, stiegen die Kosten also um mehr als 15% – da der BV die entsprechenden Berechnungen nicht vorlegt, bleibt uns hier aber nichts anderes übrig, als den vom BV genannten Zahlen zu vertrauen.]

Erfreulicherweise lassen die obigen Zahlen aber auch den direkten Preisvergleich zwischen Gas und Fernwärme zu (den BV und ENTEGA unbedingt unter Verschluss halten wollten, offenbar da dieser in der Diskussion mit der Mieterschaft nicht opportun erscheint):

106 ct/[qm*Monat] / 131 MWh/Jahr * 148 MWh/Jahr / 92 ct/[qm*Monat] = 1.302 [einheitenlos]

Der Preisanstieg, der sich allein durch die Umstellung auf Fernwärme ergibt, beträgt somit 30,2%!

Mit anderen Worten: Die Dämm-Maßnahmen könnten für die Bewohner tatsächlich zu gewissen Einsparungen führen (etwa 11,5% weniger Energiebedarf beim Heizen, gemäß den obigen Zahlen). Der Preisanstieg durch die Fernwärme überkompensiert diese Ersparnis jedoch deutlich, so dass die MieterInnen unterm Strich 15% mehr fürs Heizen ausgeben.

Das ist ein völlig absurdes Ergebnis wenn man bedenkt, dass die Mieterschaft die Dämm-Maßnahmen ja selbst bezahlt, nämlich über die Modernisierungsumlage. In ähnlichen Fällen gibt es inzwischen Gerichtsurteile, nach denen aus Mietersicht zumindest eine gewisse Verhältnismäßigkeit zwischen Modernisierungsumlage und Nebenkosteneinsparungen herrschen muss (die bisherige Gesetzeslage ist hier sehr vermieterfreundlich, da eine solche Verhältnismäßigkeit im Gesetz nicht explizit gefordert wird).

An Rhön- und Spessartring wird es unterm Strich also nicht nur keine Verhältnismäßigkeit geben – im Gegenteil: Die MieterInnen zahlen bei den Nebenkosten noch drauf. Die Mietkosten steigen durch die Modernisierungsumlage drastisch an, während im Gegenzug die Nebenkosten ebenfalls steigen!

Diese für die Gesamtmaßnahme eher vernichtende Erkenntnis wird seitens des BV rhetorisch in den Anschreiben an die MieterInnen geschickt dadurch kaschiert, dass die Umstellung auf Fernwärme ja nicht als Modernisierung deklariert ist – rechtlich liegt das in einer Grauzone. Zwar hat der Gesetzgeber ein Gesetz erlassen, wonach bei der Umstellung auf einen externen Wärmeversorger die Heizkosten für die Mieter nicht steigen dürfen. Dieser Fall greift hier jedoch nicht (und das ist dem BV bewusst – das ergibt sich aus der Formulierung im Mieterhöhungsschreiben), weil die ENTEGA auch vorher schon als externer Wärmeversorger auftrat! Der Fall, dass auf Verfügen des Vermieters die Art der externen Wärmebeliferung umgestellt wird (also hier: von Gas auf Fernwärme), ist durch das Gesetz nicht abgedeckt, auch wenn davon auszugehen ist, dass auch eine Regulierung dieses (Sonder-)Falls vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sein dürfte. Eine Gesetzeslücke, die BV und ENTEGA geschickt ausnutzen.

Offenbar um den Umstand der steigenden Nebenkosten zu verschleiern, wird zudem nach der Umstellung auf Fernwärme der Abschlag für die Heizkosten zunächst nicht erhöht. Da aber der BV selbst ja schon vorgerechnet hat, dass die Heizkosten durch die Fernwärme steigen werden, trotz der Modernisierungen, ist das zumindest irritierend – wir gehen hier von einem Irrtum aus, nicht etwa von einer bewussten Täuschung der Mieterschaft.

[Anmerkung: Womöglich gibt man sich seitens des BV der Hoffnung hin, dass die MieterInnen den ersten Schock der Mieterhöhungen verkraftet haben werden, wenn sie ein Jahr später die erste Fernwärme-Jahresabrechnung erhalten – bei (angenommen) gleichbleibendem Verbrauch wird dies also zwangsläufig eine Nachzahlung sein, mit gleichzeitiger Erhöhungs des monatlichen Abschlags.]

Die eigene Berechnung der Mieterinitiative ergab übrigens einen Preisanstieg durch die Umstellung auf Fernwärme von 35,2% (34,6 Cent pro Quadratmeter und Monat), die Abweichung zu den 30,2% ergibt sich dabei aufgrund von (kleineren) Unbekannten, wie z.B. dem Wirkungsgrad der bestehenden Gasheizungen (Annahme ENTEGA: 85%; Recherche der Mieterinitiative: 88%) und die Bemessung des neuen Fernwärmeanschlusses (in Kilowatt). Im Wesentlichen sind die beiden Berechnungen also konsistent, so dass ein Wert von 30%-35% als belastbar angesehen werden kann.

Die Mieterinitiative leitet hieraus die Forderung an die Stadt Darmstadt ab, die effektiven Kosten für Fernwärme auf die Kosten für Gas zu beschränken, und zwar nicht nur für Niedrigenergiehäuser, sondern auch für Kunden mit (insbesondere unverschuldet) höherem Heizbedarf, wie die Mieterschaft an Rhön- und Spessartring.